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Die Energiekrise und die Auswirkungen auf Sport(stätten) und Bewegung
Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine schossen die Energiepreise in Deutschland in die Höhe. Stand August 2022 verteuerte sich Heizöl im Vergleich zum Vorjahresmonat um 94,6%, Erdgas um 59,2% sowie Fernwärme um 36,0%[1]. Was den VerbraucherInnen schwer auf das Portemonnaie drückt, belastet auch den Betrieb der Sportinfrastruktur schwer. Nach zwei Jahren der Krise bedingt durch die Coronavirus-Pandemie steht dem Sport in Deutschland also gleich die nächste Herausforderung ins Haus.
Als bekannt wurde, dass die russischen Gaslieferungen reduziert bzw. eingestellt werden könnten, machte schnell das Schlagwort „Energie-Lockdown“ die Runde. Entsprechenden Vorschlägen des Deutschen Städtetages zur Teilschließung von Sportstätten und Bädern stemmten sich der Deutsche Olympische Sportbund[2] sowie die BÄDERALLIANZ Deutschland[3]– ein Zusammenschluss von 14 Verbänden mit Bezug zum Schwimmen bzw. körperlicher Aktivität – mit eigenen Aktionsplänen entgegen.
Der organisierte Sport rief im September bereits seine Mitgliedsverbände und -vereine zu einer Energieeinsparung von bis zu 20 Prozent auf[4]. Diese Selbstverpflichtung für 90.000 deutsche Sportvereine will pauschale Schließungen von Sportstätten vermeiden. Dies soll mit einem Stufenplan[5] erreicht werden, der vom bewussten Heizen über Abschaltung der Warmwasserzubereitung hin zum bedarfsgerechten Betrieb von Flutlichtanlagen allerhand Aufgaben für die Vereine bereithält. Perspektivisch müssen jedoch bauliche Umrüstungen hin zu nachhaltigeren und energiefreundlicheren Sportstätten hin. Gerade die Bäder als Sportstätten für die Daseinsvorsorge gehören zu den energieintensiven Betrieben. Mehr als 90% der deutschen Bäder sind zudem abhängig vom Energieträger Gas2.
Was heißt das jetzt konkret für Sport und Bewegung in Deutschland?
Dass die Situation für die Sportstättenbetreiber in Deutschland sehr angespannt ist, zeigt ein Interview der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) mit dem Präsidenten der Bundesnetzagentur Klaus Müller aus dem Juli 2022. Dort wird Müller mit den Worten zitiert: „Wir können nicht jeden Betrieb als systemrelevant einstufen. […] Produkte und Angebote, die in den Freizeit- und Wohlfühlbereich fallen, [wären] eher nachrangig. Schwimmbäder gehören wohl nicht zum kritischen Bereich, genauso wie die Produktion von Schokoladenkeksen.[6]“ Einen Vergleich, für den Müller im Nachgang viel Kritik einstecken musste. Sieht man von der unglücklichen Vergleichsmetapher jedoch ab, macht es die Ernsthaftigkeit deutlich, die die Energiekrise für den Sport mit sich bringt.
Der DOSB sowie seine Landesverbände machen im Schulterschluss klar, dass gerade Sportvereine als Sportstättenbetreiber jetzt finanzielle Unterstützung von Bund und Land benötigen. Erleichterung brachte die Nachricht, dass der sogenannte „Wirtschaftliche Abwehrschirm gegen die Folgen des russischen Angriffskrieges“ endlich auch die Sportvereine explizit berücksichtigt[7]. Der DOSB scheint zuversichtlich, dass sowohl der Einsparmaßnahmen-Stufenplan als auch die Abwehrschirm des Bundes ausreichen könnten, um die Sportstätten offenhalten und gleichzeitig die Sportvereine, die als Sportstättenbetreiber fungieren, entlasten zu können. Nichtsdestoweniger unterstreicht der DOSB, dass die Vermeidung einer erneuten Schließung von Sportstätten das prioritäre Ziel ist. Christian Siegel, Ressortleiter „Sportstätten, Umwelt und Nachhaltigkeit“ unterstreicht: „Alle müssen in der jetzigen Phase ihren Beitrag zu Energieeinsparungen leisten. Dazu ist selbstverständlich auch der Sport bereit und hat hierzu bereits einen Maßnahmenkatalog sowie einen sportstättenspezifischen Stufenplan zur Energiereduktion erarbeitet. Daher appellieren wir an alle Sportvereine, mindestens 20 Prozent Energie – Gas und Strom – einzusparen. Einen pauschalen und flächendeckenden Sport-Lockdown darf es nicht wieder geben. Sporthallen und die für das Schwimmen lernen geeigneten Bäder bzw. Wasserflächen müssen so lange wie möglich geöffnet bleiben und intensiv genutzt werden. Die Energiekrise ist eine Herausforderung, die wir als Gesellschaft nur im engen Schulterschluss zwischen Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft meistern werden. Sportvereine leisten zweifellos wichtige Beiträge in unserem Lande, sie bilden damit das Rückgrat unserer Gesellschaft. Von daher ist es sinnvoll, dass Bund, Länder und Kommunen Förderprogramme für finanziell in Not geratene Sportvereine entwickeln.“
Führen Kompromisse im Sportstättenbetrieb zu sportmedizinischen Bedenken?
Dass nach der Coronaviruspandemie erneut Sportstätten aufgrund der Energiekrise geschlossen werden könnten, hält der Ehrenpräsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention e.V., Prof. Dr. med. Klaus-Michael Braumann, für einen Super-GAU: „Das Schlimmste, was uns in Deutschland nach der Coronaviruspandemie passieren könnte, ist, dass die Sportstätten wieder geschlossen werden. Wir brauchen dringend das Gegenteil! Wir brauchen offene Sportplätze, Schwimmbäder und Turnhallen. Wir müssen dringend mehr Menschen in die Bewegung zurückführen! Denn körperliche Aktivität und eine damit einhergehende verbesserte körperliche Fitness sind ein Schlüssel zur Gesunderhaltung. Das haben die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Prävention schwerer COVID19-Verläufe klar gezeigt.“
Wenn die Sportstätten offenbleiben, kann Prof. Braumann mit den Energiesparmaßnahmen für die Sportstätten leben. Gerade auch für die Menschen, die nach der Pandemie wieder mehr in Bewegung versetzt werden müssen, seien das akzeptable Kompromisse: „Um es noch einmal zu unterstreichen. Die Bevölkerung muss von der Couch geholt werden! Dabei sollte es aus medizinischer Sicht zu verkraften sein, wenn beispielsweise die Temperaturen in Schwimmbecken um zwei Grad abgesenkt werden, die Duschen in den Umkleidekabinen etwas kälter eingestellt werden oder jede zweite Leuchtstoffröhre ausgeschaltet wird. Die evidenten Vorteile von Sport und Bewegung für alle Altersgruppen dürften diese Kompromisse überwiegen!“
Grundsätzlich unterstreichen gerade die Partnerorganisationen der Hamburg Declaration, dass es ein prioritäres Ziel sein muss, mehr Menschen (wieder) in Bewegung zu bringen. Wie schlecht es um das Erreichen der Bewegungsempfehlungen in der deutschen Bevölkerung steht, zeigt unter anderem der jährliche DKV-Report, der von der Deutschen Sporthochschule erhoben wird. Dabei erreichen derzeit nur 11% der Deutschen die Benchmark für ein gesundes Leben[8]. Körperliche Aktivität ist dabei ein entscheidender Gradmesser.
Dieser Artikel wurde geschrieben von Daniel Schmidt.
Literatur
[1] Quelle: Statistisches Bundesamt, Verbraucherpreisindizes, Auffällige Preisveränderungen im August 2022, URL: https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Preise/Verbraucherpreisindex/verbraucherpreise-preisentwicklung.html, abgerufen am 09.10.2022
[2] Quelle: Deutscher Olympischer Sportbund, Energie-Lockdown für den Sport verhindern!, 12.07.2022, URL: https://www.dosb.de/sonderseiten/news/news-detail/news/energie-lockdown-fuer-den-sport-verhindern
[3] Quelle: BÄDERALLIANZ Deutschland, Positionspapier zum drohenden Lockdown, 12.07.2022, URL: https://www.baederallianz.de/fileadmin/user_upload/Positionspapier_der_Baederallianz_zum_moeglichen_Energie-Lockdown.pdf
[4] Quelle: Deutscher Olympischer Sportbund, 20 Prozent Energieeinsparung im organisierten Sport, 06.09.2022, URL: https://www.dosb.de/sonderseiten/news/news-detail/news/20-prozent-energieeinsparung-im-organisierten-sport-au
[5] Quelle: Deutscher Olympischer Sportbund, Empfehlungen zur Energiereduktion für Sportvereine, URL: https://cdn.dosb.de/user_upload/Sportstaetten-Umwelt/20220906_Matrix_Energiereduktion_Sportstaettenspezifisch.pdf, abgerufen am 09.10.2022
[6] WAZ, „Bundesnetzagentur-Chef: ‚Verbraucher werden schockiert sein‘“, 02.07.2022, online abrufbar: https://www.waz.de/politik/netzagentur-chef-gas-preise-abdrehen-verbraucher-schock-interview-id235778967.html
[7] Quelle: Deutscher Olympischer Sportbund, DOSB begrüßt Abwehrschirm des Bundes, 30.09.2022, URL: https://www.dosb.de/sonderseiten/news/news-detail/news/dosb-begruesst-abwehrschirm-des-bundes
[8] Quelle: Deutsche Sporthochschule Köln, DKV-Report 2021: Negativrekordwert beim gesunden Lebensstil, 11.10.2021, URL: https://www.dshs-koeln.de/aktuelles/meldungen-pressemitteilungen/detail/meldung/dkv-report-2021-negativrekordwert-beim-gesunden-lebensstil/